Über Tanz schreiben heißt sprechen von vorher und nachher, Gleichzeitigkeit, Betonungen und Akzente, Folgen, Sequenzen, Synchronisierung, Phrasierung, Dynamik der Bewegungen (Laban nennt es Antrieb), Bewegungsfluss, Körperrhythmen, Physiologie oder funktionale Anatomie (d.h. Körper in Bewegung!), von hier nach da, Bewegungsrichtungen, Räumliche Progression, Räumliche Projektionen, Interferenzen, Beziehungsbildung, Beziehungsdynamiken, entstehen und auflösen, Anfang und Ende und mittendrin im Verlauf, Langsamkeit, Schnelligkeit, Geschwindigkeit, Beschleunigung, Impulse, Momentum.
Über Tanz schreiben heißt auch schreiben über Gefühle. Was sind Gefühle?
Bestimmte Zustände des Gehirns, des Ichs, der Befindlichkeit. Mit typischen körperlichen Vorgängen verbunden, die wir wahrnehmen können.
E-Motionen. Darin steckt etymologisch die Bewegung. Nur durch die Veränderung dieser Zustände können wir Gefühle erkennen und
unterscheiden lernen.
Und wir erkennen sie bei anderen durch wieder, anhand der körperlichen Zustände, der Haltung, Mimik, des Tonfalls, der Geschwindigkeit der Bewegungen und des Sprechens. Kinetische
Empathie.
Über Tanz schreiben heißt Schreiben über das Denken - nicht über Worte, Begriffe, sondern über Operationen mit Bewegungen wie
Zusammenfügen, Verbinden, räumlich anordnen, gruppieren, voranstellen, anschließen. Motorisches Denken operiert mit Bewegungen, Veränderungen von Körpern, Körperteilen in der Zeit.
Denken ist Spielen mit Begriffen. Motorisches Denken ist Tanz. Tanzen ist Denken.
Tanz betrifft Körper, Tanz betritt den Raum
– Tanz ist Zeit!
Leben ist Zeit.
Unsere Wahrnehmung ist ein Prozess. Worte auf Papier zu stellen wirkt dagegen statisch. Begriffe erscheinen statisch. Deshalb ist es so schwer über Tanz zu schreiben.
Doch ist das Sprechen, das Schreiben, das Lesen ebenfalls ein Prozess. Dynamisch. Eventuell führt er sogar über das Geschriebene hinaus zu eigenem Denken und Spielen. Tanz im Gehirn.
Ist das Tanz? Virtueller Tanz?
Was macht der Körper mit den Worten? Ist er überhaupt dabei? Oder abgespalten von diesem Prozess? Was fühlen wir dabei? Gelingt fühlen ohne Körper? (Vgl. die o.g. Definition...).
Beim Schreiben tanzt meine Hand, beim Lesen tanzen meine Augen, beim Hören tanzen meine Sinneshärchen im Innenohr, beim Sprechen tanzt meine Zunge.
Wann tanzt unser Körper gemeinsam mit dem Gehirn? Und wann erleben wir uns darin?
(Was spüren wir?) + (Wie fühlt sich das an?) = Was erleben wir, wenn wir Tanz erleben?
Wie erleben wir Tanz?
Über Tanz schreiben – über Zeit schreiben – schreiben...
Oder tanzen...
„Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“
(Wittgenstein, Tractato logico-philosophicus)
Und tanzen...
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