8 Innere und äußere Rhythmen - Fakten und Ideen

Wir leben im Zusammenspiel von inneren (psychophysischen) und äußeren (soziokulturellen) Rhythmen. Wann dominiert was? Wie spielen sie zusammen oder gegeneinander?

Innere Rhythmen

Die beiden lebensnotwendigen Körperrhythmen oszillieren: Herzschlag und Atem.

 

Ein gesundes Herz zeigt mehr Variabilität im Rhythmus, leichte Anpassungen an den Atem, die Aktivität des vegetativen Nervensystems und die Botenstoffe (Hormone) im Blut. Unser Herzschlag ist uns nur bei besonderer Anstrengung und Steigerung der Kraft und Geschwindigkeit der Herzmuskelaktivität bewusst, z.B. nach starker körperlicher Anstrengung aber auch bei Angst oder im Zustand von Verliebtheit bzw. anderer emotionaler Aufregung. Normalerweise nehmen wir unseren Herzrhythmus nicht wahr. Den Puls können wir eher von außen durch die Haut an den oberflächlicher gelegenen großen Arterien ertasten.

 

Der Atem ist uns schon eher präsent. Es gelingt den meisten Menschen leicht, den Atemrhythmus bewusst wahrzunehmen. Interessanterweise hat das häufig einen beruhigenden Effekt. Insbesondere die bewusste Verlängerung des Ausatmens wirkt über eine Aktivierung des parasympathischen Nervensystems beruhigend. Im Gegensatz zum Herzschlag können wir den Atem aber auch willkürlich steuern und bewusst Hecheln oder stotternd, d.h. mit Unterbrechungen ein- und ausatmen. Veränderte Atemdynamik entsteht spontan bei intensiven Gefühlsreaktionen (Lachen, Stöhnen, bei Erschrecken etc.) - aber auch beim Singen. Inwiefern hängt das zusammen?

 

Innere, psychophysische Rhythmen von längerer Dauer: der Rhythmus von Aktivität und Ruhephasen bzw. der Schlaf-Wach-Rhythmus. Er existiert auch unabhängig vom Hell-Dunkel-Wechsel der äußeren Umgebung (s. Höhlenexperimente der Schlafforscher), aber etwas zeitlich verlängert. Er wird also durch den äußeren Tag-Nacht-Rhythmus moduliert.

 

Weitere zirkadiane Rhythmen:

Der Nucleus suprachiasmaticus im Hypothalamus koordiniert darüber hinaus auch die zirkadianen Schwankungen der Körpertemperatur, der Hormonsekretion der Sexualhormone, des Blutdrucks und der Herzfrequenz sowie der Urinproduktion. So wird z.B. in den frühen Morgenstunden von den Nebennierenrinden am meisten Cortisol ausgeschüttet, was im Körper Immun- und Stoffwechselprozesse beeinflusst, aber auch einen rückgekoppelten Einfluss auf unser Gehirn hat. Die Glukokortikoide binden z.B. an Rezeptoren im Hippocampus und beeinflussen damit Gedächtnisspeicherungsprozesse, aber auch der Abruf von Informationen wird über die Stresshormone beeinflusst (Prüfungsängstliche oder Menschen mit starkem Lampenfieber wissen das).

 

Es gibt aber auch mehrmals im Tagesverlauf ablaufende Rhythmen der Hormonsekretion über die Hypophyse (Hirnanhangdrüse). Und innerhalb des Schlaf-Wach-Rhythmus gibt es einen ca. im 90 Minuten-Takt ablaufenden Rhythmus, der den Ablauf der Schlafphasen reguliert, aber vermutlich auch für den Aktivitätszustand am Tage eine Rolle spielt.

 

Einem eher dem 28-Tage-Mond-Rhythmus ähnlicher Rhythmus unterliegt der Menstruationszyklus der Frauen.

Äußere Rhytmen

Das Hell-Dunkel des Wechsels von Tag und Nacht beeinflusst den inneren circadianen Rhythmus, so dass wir uns selbst bei Reisen in andere Zeitzonen nach einiger Zeit vollständig daran anpassen.

 

Stärker soziokulturell geprägt ist die in unserer Zivilisation ins Extreme gesteigerte rhythmische Prinzip nach der Uhrzeit, einer durchaus nicht selbstverständlichen  Konvention der Zeitmessung nach einem linearen Prinzip im Minuten-Stunden-Takt. Es bestimmt unseren Alltag im allgemeinen mehr als sämtliche inneren Rhythmen. Es synchronisiert das Zusammenleben von Menschen in unserer Gesellschaft, hat allerdings teilweise erhebliche Nebenwirkungen, falls die biologischen Rhythmen dabei in zu starkem Maße übergangen werden. Über die dann entstehende chronische Erhöhung der Stresshormone und Überflutung des Gehirns und der Organe vor allem mit Glukokortikoiden bei einseitiger Aktivierung des sympathischen im Vergleich zum parasympathischen Nervensystem wird nach heutigem Stand der Medizin unsere Lebenszeit begrenzt. Die hier entstehenden Dysregulationen scheinen bei der Entstehung aller großer Zivilisationskrankheiten (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs) aber auch bei den meisten psychischen Erkrankungen (Depression, Angsterkrankungen, Psychosomatosen) eine Rolle zu spielen.

 

Dennoch verbindet eine Synchronisierung Menschen, nicht nur bei leichterer Terminvereinbarung. Die zeitliche Synchronisierung durch simulatane, gleichzeitige, aber auch regulierte sequenzielle oder sukzessive Phrasierung findet sich in Arbeitsrhythmen bei gemeinschaftlichem körperlichen Arbeiten, aber auch in der Musik und im Tanz. Die zeitliche Koordination im Chor, Kanon und komplexeren Zusammenspiel in Musik und Choreographie scheint über Kulturen und Zeitepochen hinweg Interesse zu wecken und Lust hervorzurufen - sowohl bei den Akteuren wie den Zuschauern/-hörern.

 

Das grundlegende Prinzip unseres Wahrnehmungs- und Denksystems zur Musterbildung zeigt sich hier wohl sehr deutlich. Und bis zu einem gewissen Grade befriedigt es wohl, die zeitliche Musterentwicklung vorherzusagen bzw. es aktiviert und weckt das Interesse, wenn in nicht zu starkem Maße Abweichungen der Vorhersagen auftreten.

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Kommentare: 1
  • #1

    Sarah (Montag, 02 Januar 2017 15:20)

    Find ich super den Eintrag. Hat mir sehr bei meiner Arbeit in meinem Seminarkurs geholfen!

    LG :D